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Medi­tation & Acht­samkeit

Achtsamkeit bei Yoga und Meditation

Indem man Achtsamkeit in seine Hatha-Yoga Praxis aufnimmt, folgt man nicht nur dem eigentlichen Ziel des Yoga, sondern erleichtert den Übergang zur Meditation. Oder anders gesagt, die Selbstbeobachtung, die man durch eine feldenkrais-basierte Körperpraxis pflegt, mündet fast zwangsläufig in die Meditation.

Wenn Yoga, so wie die klassischen Texte es beschreiben, sowohl etwas mit (Selbst)Disziplin als auch mit Selbsttranszendenz zu tun hat, ist Meditation das Mittel zur Umsetzung. Sie ist das systematische Üben (> Selbstdisziplin) einer bestimmten Art der Betrachtung des eigenen Geistes mit dem Ziel, das eigene Selbst zu verändern (> Selbsttranszendenz). Wahrscheinlich am systematischsten ausgearbeitet ist das hierzu nötige Vorgehen im Raja-Yoga (beschrieben in den Yoga-Sutras), mit seinen körperlichen und geistigen Übungen (Meditation). Wie wird dieser meditative Prozess beschrieben?

 Achtsamkeit bei Yoga und Meditation schafft eine großartige Verbindung

Wenn der Meditierende mit dem Objekt verschmilzt

In Patanjalis Yoga-Sutras, ebenso wie in einer Reihe anderer klassischer Texte, ist die Rede davon, dass der Seher (also der Meditierende) mit dem Objekt und mit dem Akt des Sehens verschmilzt oder eins wird (Patanjali, I.3, III.3). Wie können wir uns das nun genau vorstellen? Woran erkennen wir einen vollkommen „verschmolzenen“ Meditierenden? Und noch wichtiger: Woran erkenne ich, wenn ich selbst in und mit meiner Meditation vollkommen „verschmolzen“ bin?

Manche werden sagen, dass man in so einem Zustand seine Umgebung nicht mehr wahrnimmt. Das mag sein. Aber was ist dann mit anderen Zuständen wie Tagträumen, Flow-Erlebnissen oder unter Einfluss gewisser Substanzen? Vergisst man dabei nicht ebenfalls vollkommen seine Umgebung? Und warum – oder wie – sollte aus dieser speziellen, meditativen Verschmelzung eine Erkenntnis erwachsen?

Eine andere Erklärung wäre, dass Verschmelzen und Eins-Werden in diesem Zusammenhang wohl eher metaphorisch gemeinte Begriffe sind, die dem Kontext einer fernen, längst vergangenen Lebenswelt entsprungen sind. Deswegen bleiben sie für uns vage. Das wird dann zum Problem, wenn man sich ernsthaft fragt, ob man denn richtig meditiert, ob man bei seiner Meditation Fortschritte macht? An dieser Stelle wünschen wir uns wahrscheinlich klarere Begriffe, mit konkreteren Hinweisen.

 

Achtsamkeit heißt mehr Klarheit in der Mediation

Die buddhistische Tradition könnte diese Hinweise liefern, wobei sich daraus keine Veränderung der vom Yoga verfolgten Ziele ergibt, kein Verbiegen der ursprünglichen Konzepte. Zunächst einmal kann man sagen, dass die ursprünglichen, buddhistischen Beschreibungen der Zustände in der Meditation ausschließlich unter psychologischen Gesichtspunkten erfolgen, ohne sie im Sinne der Mystik oder des Übernatürlichen zu erklären (Premasiri, P.D. (1987). Early Buddhism and the Philosophy of Religion, Sri Lanka Journal of the Humanities, 13, 163-184).

Ausführlich geht es dort um das Wahrnehmen von Reizen oder Impulsen, die in unserem Körper und Geist plötzlich und ständig neu auftauchen, ohne jedoch gedanklich auf den jeweiligen Reiz einzugehen. Besonders die emotionalen Reize sind hier von Bedeutung. Denn sie initiieren ein Verlangen, oder aber sie lösen eine deutliche Ablehnung aus. Im Kern handelt es sich um positive und negative Gefühlsimpulse, welche der Meditierende lernt wahrzunehmen und vorbeiziehen zu lassen, so dass aus dem Impuls kein Gefühl des Verlangens oder des Hasses wird, bzw. kein entsprechender Gedanke, der sich für eine gewisse Zeit in seinem Geist festsetzt.

Diesen Schritt zu verhindern, darin besteht ein wesentlicher Teil der Achtsamkeitsmeditation – ein Schritt, der, wie ich meine, sehr konkret und damit gut nachvollziehbar ist (was freilich nicht heißt, dass man ihn so mir nichts, dir nichts erlernen könnte). Dass diese Beschreibungen ausgezeichnet zu aktuellen Forschungsergebnissen passen, werde ich in meinem Blog ausführlicher beschreiben.

Aufmerksame Selbstbeobachtung führt zu Achtsamkeit bei Yoga und Meditation

 

Achtsame Meditation erkennt den Auslöser der Ruhestörung

Wie passt das zum Yoga? In der zweiten Yoga-Sutra lesen wir, dass ständig neu auftauchende, gedankliche Impulse (vrittis) zur Ruhe kommen sollen. Ruhelos ist der Geist nach den Yoga-Sutras unter anderem, wenn er von Verlangen oder Ablehnung beherrscht wird [>> 10 (Patanjali, II.3). Es fällt nicht schwer, darin eine weitgehende Übereinstimmung mit den buddhistischen Ausführungen zu sehen!

Weiter führt Patanjali aus, dass betrachtete Objekte selbst keine Eigenschaften besitzen. Vielmehr entstehen sie erst in der Psyche bzw. dem Geist des Menschen (als positives oder negatives Gefühl), der mit einem bestimmten Objekt in Kontakt tritt. Aber der Mensch schreibt fälschlicherweise den Objekten diese Qualitäten zu (anziehend oder abstoßend) und hält sie für real existierend. Damit entsteht buchstäblich ein falsches, von Unwissenheit über die wirklichen Zusammenhänge geprägtes Weltbild.

Diese Unwissenheit manifestiert sich gleichzeitig in einem Ich-Bewusstsein (Patanjali, II.5), also ein Prozess, der zwischen einem Beobachter (Ich) und einem Gegenstand der Beobachtung trennt (Patanjali, II.6). Diese Trennung gilt es nach Patanjali zu beseitigen oder zu überwinden, so dass Meditierende mit dem Objekt seiner Betrachtung „verschmilzt“ oder eins wird.

 

Ein verändertes Ich-Bewusstsein als Ergebnis der Mediation

All das scheint mir von seinen Grundzügen im Einklang mit den buddhistischen Vorstellungen. Wenn das Ich-Bewusstsein im Kern aus positiven und/oder negativen Bewertungen (Gefühlen) besteht (was von Neurowissenschaftlern ähnlich gesehen wird), heißt das, dass dieses Ich „verschwindet“, wenn aus dem ersten Impuls kein nachhaltiges Gefühl des Verlangens oder des Hasses wird, sich kein entsprechender Gedanke für eine gewisse Zeit im Geist festsetzt.

Kurz, das Ich „löst sich auf“, wenn die natürlicherweise (!) zuerst entstehende ich-zentrierte Sichtweise zugunsten einer ich-freien überwunden wird. Das ist kein metaphysisches Geschehen, sondern lässt sich kognitionspsychologisch nachvollziehen. Vor allem aber liefert es demjenigen einen konkreten Arbeitsauftrag, der bereit ist, sich mit einer solchen Sicht anzufreunden. Aber ein solcher Akt kostet immer etwas Anstrengung also auch etwas (Selbst)Disziplin. Yoga eben …